Greenwashing oder echte Lösung? Wie nachhaltig sind E-Scooter wirklich?

September 25, 2025

Greenwashing oder echte Lösung? Wie nachhaltig sind E-Scooter wirklich

Emissionsfrei auf der Straße heißt nicht emissionsfrei im Ganzen. In diesem Beitrag gehen wir detailliert auf Produktion, Nutzung, Lebensdauer, Recycling und die Rolle der Sharing-Anbieter ein – und zeigen, wo E-Scooter wirklich punkten und wo es eher Marketing ist.

1) Produktion: Der unsichtbare CO₂-Rucksack

E-Scooter wirken auf den ersten Blick klimafreundlich – kein Motorlärm, keine Abgase, keine Tankstellenfahrten. Doch bevor sie überhaupt fahren können, steht die energieintensive Produktion. Besonders die Lithium-Ionen-Akkus sind CO₂-Schwergewichte. Laut einer Studie der Universität Lyon (2020) verursachen Herstellung und Transport pro Scooter zwischen 60 und 100 Kilogramm CO₂.

Hinzu kommt: Viele Modelle werden in China produziert und nach Europa verschifft. Transport per Containerschiff reduziert die Emissionen pro Einheit zwar, aber der ökologische Rucksack bleibt erheblich. Je kürzer die Lebensdauer des Scooters, desto schlechter fällt die Ökobilanz aus.

Verglichen mit einem E-Bike ist die Produktionslast pro gefahrenem Kilometer oft höher, da Scooter kleinere Akkus haben, aber meist weniger Kilometer erreichen, bevor sie ausgetauscht werden müssen. Anders gesagt: Ein Akku, der früh stirbt, macht den „grünen Vorteil“ schnell zunichte.

Hersteller betonen gerne den Einsatz von Aluminiumrahmen, die theoretisch gut recycelbar sind. In der Praxis landen aber viele defekte Geräte auf dem Schrottplatz, ohne vorherige Wiederverwertung. Das Problem: reparieren ist oft aufwendiger und teurer als neu kaufen.

Fazit: Nachhaltig wird ein E-Scooter erst dann, wenn er lange gefahren wird. Je kürzer die Lebenszeit, desto mehr rückt das „grün“ in den Bereich Greenwashing.

2) Nutzung im Alltag: Auto-Ersatz oder Lifestyle-Spielzeug?

In der Theorie sollen E-Scooter Autofahrten ersetzen. In der Praxis sieht es anders aus. Laut dem Umweltbundesamt (UBA) ersetzen nur 10–15 % der Fahrten tatsächlich den PKW. Der Großteil ersetzt Fußwege oder ÖPNV – also ohnehin klimafreundliche Alternativen.

In Städten wie Berlin oder Köln, wo viele Menschen schon auf den Nahverkehr angewiesen sind, bedeutet das: E-Scooter sind eher ein „Add-on“ als eine Revolution. Sie bieten Flexibilität für die letzte Meile – also von der Bahnstation bis zum Ziel – aber lösen selten die großen Verkehrsprobleme.

Auf dem Land hingegen sieht es anders aus. Dort, wo Busse nur stündlich fahren, kann ein E-Scooter tatsächlich ein Auto ersetzen – zumindest für kurze Wege. Allerdings sind viele Modelle technisch nicht für schlechte Straßen, Pflaster oder größere Distanzen gebaut.

Auch der Strommix spielt eine Rolle. Ein Scooter, der in Deutschland mit relativ hohem Anteil erneuerbarer Energien geladen wird, ist klimafreundlicher als einer in Ländern mit Kohle-Lastigem Energiemix.

Unterm Strich: Nur wer den Scooter regelmäßig statt des Autos nutzt, erzielt einen echten Nachhaltigkeitsvorteil. Für Spaßfahrten in der Innenstadt bleibt der Effekt marginal.

3) Lebensdauer: Von der Theorie zur harten Realität

Hersteller sprechen gerne von „tausend Ladezyklen“ oder „zehn Jahren Haltbarkeit“. In der Realität sieht es nüchterner aus. Private Scooter halten im Schnitt zwischen 2 und 5 Jahren – abhängig von Nutzung, Pflege und Ersatzteilversorgung.

Bei Sharing-Scootern ist die Bilanz deutlich schlechter. Vandalismus, Witterung und intensiver Betrieb reduzieren die Lebenszeit oft auf unter 24 Monate. Manche Flottenbetreiber mussten nach wenigen Monaten große Teile ihrer Fahrzeuge austauschen, weil Bremsen, Reifen oder Akkus den Dauereinsatz nicht überstanden.

Der ADAC hat in seinem E-Scooter-Test 2022 gezeigt, dass die Unterschiede zwischen den Modellen gewaltig sind: Manche hielten in Belastungstests nur wenige hundert Kilometer, andere mehrere tausend.

Schwachpunkte sind fast immer die gleichen: Reifen (durchstoßen oder abgenutzt), Bremsbeläge, Faltmechanismen und natürlich der Akku. Wer regelmäßig wartet, kann die Lebenszeit verdoppeln – wer alles ignoriert, halbiert sie.

Nachhaltigkeit bedeutet also nicht nur kaufen, sondern auch pflegen: trockene Lagerung, keine Tiefentladung, Ersatzteile statt Wegwerfmentalität. Nur dann macht sich der CO₂-Rucksack aus der Produktion irgendwann bezahlt.

4) Recycling & Kreislaufwirtschaft: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Recycling ist das große Schlagwort – aber gerade bei E-Scootern bleibt viel Theorie. Der Aluminiumrahmen ist vergleichsweise einfach wiederzuverwerten, aber der Akku ist die eigentliche Baustelle. Lithium, Kobalt und Nickel lassen sich technisch zurückgewinnen, der Prozess ist jedoch teuer und energieintensiv.

Laut der EU-Batterieverordnung 2023 müssen Hersteller künftig deutlich höhere Sammel- und Recyclingquoten erfüllen. Für Endnutzer heißt das: alte Akkus dürfen nicht im Hausmüll landen, sondern müssen zurück in den Kreislauf.

Problematisch bleibt: Viele defekte Sharing-Scooter werden aktuell nicht repariert, sondern verschrottet. Das spart kurzfristig Kosten, erzeugt aber riesige Müllberge. Die Branche muss hier dringend umdenken – auch weil Verbraucher zunehmend kritisch nachfragen.

Positiv: Einige Anbieter experimentieren bereits mit modularen Akkus, die sich einfacher austauschen lassen. Damit könnten Lebensdauer und Recyclingfähigkeit deutlich steigen.

Fazit: Ohne funktionierende Kreisläufe ist die Nachhaltigkeit von Scootern ein leeres Versprechen. Es reicht nicht, nur auf Aluminium zu zeigen – die Batterie ist der Gamechanger.

5) Sharing-Anbieter: Zwischen Chaos und Konsolidierung

Wer an E-Scooter denkt, sieht oft die Leihmodelle von Tier, Lime oder Bolt vor Augen. Doch genau diese Anbieter kämpfen aktuell. Der Shared Mobility Index von Fluctuo zeigte 2023 Rückgänge von 9 % bei den Flotten und 14 % bei den Fahrten.

Ein Grund: die hohen Betriebskosten. Scooter laden sich nicht von selbst. Sie müssen eingesammelt, transportiert, gewartet und aufgeladen werden – oft mit Fahrzeugen, die selbst Diesel verbrennen. Das Bild vom „grünen Sharing“ bekommt so schnell Risse.

Dazu kommen Vandalismus, Diebstahl und strengere Regeln der Städte. Viele Kommunen haben die Zahl der Fahrzeuge pro Anbieter begrenzt, Abstellflächen vorgeschrieben oder Zonen mit Nutzungsverbot eingerichtet. Das sorgt zwar für mehr Ordnung, nimmt dem System aber Spontanität.

Manche Anbieter versuchen, gegenzusteuern: Abomodelle statt Einzelbuchungen, Kooperationen mit ÖPNV oder Fokus auf kleinere, aber besser gepflegte Flotten. Ob das reicht, bleibt offen – denn die Margen sind weiterhin dünn.

Langfristig wird sich der Markt konsolidieren. Weniger Anbieter mit besseren Geräten und klareren Regeln könnten für mehr Akzeptanz sorgen – aber die Phase des Wildwuchses ist vorbei.

6) Die Zukunft: Zwischen Hoffnung und Realität

Nachhaltig werden E-Scooter erst, wenn sie langfristig Teil einer durchdachten Verkehrswende sind. Dazu gehört: langlebige Akkus, bessere Wartung, Recycling-Infrastruktur und Integration in den ÖPNV.

Hersteller arbeiten bereits an Feststoffbatterien, die sicherer und langlebiger sein sollen. Auch Sharing-Anbieter experimentieren mit besserer Logistik, z. B. Wechselakkus direkt vor Ort statt nächtlichem Einsammeln.

Städte wiederum müssen die Infrastruktur ausbauen. Radwege sind der natürliche Platz für Scooter – doch solange diese fehlen oder schlecht gepflegt sind, bleiben Konflikte mit Fußgängern und Autofahrern vorprogrammiert.

Politisch wird entscheidend sein, ob E-Scooter als Ergänzung oder als Problem gesehen werden. In Paris etwa wurden Sharing-Scooter 2023 komplett verbannt, in Deutschland diskutieren Städte über strengere Regeln statt Verbote.

Fazit: Ob E-Scooter Greenwashing oder echte Lösung sind, hängt weniger vom Roller selbst ab – sondern von Nutzung, Regulierung und der Bereitschaft, die Geräte lange am Leben zu halten.

FAQ: Nachhaltigkeit von E-Scootern

Sind E-Scooter emissionsfrei?

Nein. Sie fahren lokal emissionsfrei, aber Herstellung und Strommix verursachen Emissionen.

Wie viele Kilometer muss man fahren, damit sich ein Scooter lohnt?

Studien schätzen: mindestens 4.000–5.000 km, um die Produktions-Emissionen auszugleichen.

Sind private Scooter nachhaltiger als Sharing?

Ja. Weil keine Dieseltransporter für Umverteilung nötig sind und die Geräte länger genutzt werden.

Was passiert mit alten Akkus?

Sie müssen recycelt werden. In der EU schreibt die Batterieverordnung eine Sammelquote von 63 % bis 2027 vor.

Quellen & weiterführende Infos

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